Roman von Fabio Geda
129 Seiten
erschienen im März 2011
Preis: 8,99€
Verlag: btb Verlag
ISBN: 978-3-4427-4958-4
Rezension von Carina S.
Die Geschichte Enaiatollahs beginnt, als er etwa zehn Jahre alt ist und mit seiner Mutter aus Afghanistan flieht. Ihr erstes Ziel: Weg von den Taliban. Denn nachdem sein Vater aus politischen Gründen umgebracht wurde, sollen Enaiat und sein Bruder quasi versklavt werden. Deshalb beschließt seine Mutter, ihn in Sicherheit zu bringen und mit ihm nach Pakistan zu gehen.
Als er eines Morgens in einer Unterkunft in Pakistan aufwacht ist seine Mutter verschwunden, sie ist zur Familie nach Afghanistan zurückgereist. Das einzige was Enaiat zu diesem Zeitpunkt hat, ist ein Beutel mit einer Hose und einem Shirt. Von da an muss er sein Schicksal selbst in die Hand nehmenund sucht sich eine Bleibe und Arbeit. Nachdem er eine Weile gearbeitet hat, beschließt er, nach Europa zu reisen. Sein Weg führt ihn über den Iran in die Türkei bis nach Italien, über Gebirge und das Meer. Auf der jahrelangen Reise erleidet er herbe Rückschläge, begegnet vielen Schicksalen, sowohl selbstlosen als auch profitgierigen Menschen und dem Tod.
Vor allem die kurzen Abschnitte, in der der Autor mit Enaiat spricht, haben mich sehr berührt und lassen in meinen Augen das ganze Buch erst lebendig wirken. Man entwickelt sofort Sympathien für den jungen Afghanen, der nie um Mitleid zu ringen scheint, sondern nur seine unwahrscheinliche Geschichte erzählen will. Zum Beispiel fragt der Autor Enaiat in einem Absatz nach mehr Details zu einer alten Dame, die eine entscheidende Rolle bei der Flucht spielt. Enaiat antwortet, es interessiert ihn nur, was die Frau getan hat, und nicht wer sie ist, denn jeder könnte sie sein.
Auch die Sprache und der Stil waren bemerkenswert, das Buch war in der einfachen Sprache des Jungen geschrieben, sehr neutral und fast ohne Emotionen. Bei so einem schwierigen Thema fand ich es sehr passend, weil der Leser weniger wertend an die eigentliche Geschichte heran geht, die schon tragisch genug ist.
„Im Meer schwimmen Krokodile“ ist in jedem Fall kein klassisches Jugendbuch, wird aber als Lektüre oft in Schulen gelesen. Zurecht, wie ich finde. Mit dem Wissen, dass alles auf einer wahren Geschichte basiert, verleiht es dem Buch einen anderen Charakter. Es scheint fast unrealistisch, wie viel Pech und Glück zugleich ein Jugendlicher haben kann, und wie stark der kindlicher Überlebensinstinkt ist. Durch das Buch sieht man die ganze Flüchtlingskrise mit anderen Augen, den Enaiat gibt ihr ein Gesicht. Für mich ist das Buch mehr als nur lesenswert!